Das macht Uruguay zum Hidden Champion
Bolivien hat den höchsten Regierungssitz der Welt. Perus Inka-Stätte Machu Picchu zählt jedes Jahr über eine Million Tourist:innen. Brasilien feiert in Río de Janeiro den bekanntesten Karneval der Welt. Keine Frage: Südamerika hat einige Superlative zu bieten. Und Uruguay? Entzieht sich der Höher-Weiter-Schneller-Logik. Und gerade das macht es zu einer wahren Perle für eine Entdeckungsreise abseits von ausgetretenen Pfaden.
1. Die Küste: traumhaft vielfältig

Knapp eine halbe Million Tourist:innen aus Brasilien können nicht irren: So viele Menschen kamen 2019 aus dem vermeintlichen Land der Traumstände nach Uruguay zum Urlaubmachen. Wie kommts? Uruguays Strände gelten als schön, sicher und die Uruguayos als freundliche Gastgeber:innen. Nur nach Europa scheint sich das noch nicht herumgesprochen zu haben. Dabei bieten Uruguays 660 Küstenkilometer für jeden Geschmack etwas: historische Gassen in Colonia, urbanes Hauptstadtflair in Montevideo, Nachtleben und Kultur in Punta del Este, Naturverbundenheit und Hippie-Charme in Cabo Polonio und Punta del Diablo. Und wer alles haben will, erkundet das Land einfach in einem entspannten Roadtrip entlang der Küste.
2. Montevideo: ein guter Mix aus allem

Was die internationale Strahlkraft angeht, muss Montevideo häufig hinter den Metropolen Río de Janeiro und Buenos Aires zurückstecken. Dabei belegt Montevideo regelmäßig den ersten Platz als Stadt mit der höchsten Lebensqualität in ganz Südamerika. Die Gründe: Hier findet man eine bunte Mischung aus Kultur, Großstadtfeeling, Art-Déco-Architektur und einem schönen Stadtstrand. Und das alles bei relativ überschaubaren Dimensionen – nur knapp 1,4 Millionen Einwohner:innen zählt Uruguays Hauptstadt. Montevideo gilt im Vergleich zu anderen Hauptstädten in Lateinamerika als relativ sicher und einige Ecken wirken noch heute, als wäre man 50 Jahre in die Vergangenheit gebeamt. Entschleunigung im besten Sinne.
3. Die Menschen: tolerant und gastfreundlich
Was weiß man hierzulande über Uruguayos, außer dass sie gut Fußball spielen und vor einigen Jahren den „ärmsten Präsidenten der Welt“ hatten? Nicht viel – leider. Natürlich kann man nicht alle über einen Kamm scheren – aber die Uruguayos sind aus meiner Sicht ein großes Plus für die Wahl von Uruguay als Reiseland. Der Umgang miteinander ist auch unter Fremden persönlicher als etwa in Deutschland. Häufig trifft man in Uruguay auf eine große Gastfreundlichkeit und Offenheit. Das spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Gesetzgebung wider: das berühmteste Beispiel ist sicher der legale Cannabis-Konsum (aber Achtung, nur für registrierte Uruguayos!), aber auch in Sachen Minderheiten- und Frauenrechte ist Uruguay vorne mit dabei, nicht nur für lateinamerikanische Verhältnisse, sondern auch im weltweiten Vergleich.
Natürlich gibt es auch in Uruguay verschiedene politische Lager und Überzeugungen. Aber man hat den Eindruck, die Differenzen in der Weltanschauung werden hier weniger hitzig ausgetragen als anderswo. Alles geht etwas ruhiger und weniger aufgeregt zu als zum Beispiel im benachbarten Argentinien oder Brasilien. Und vielen ist ein gutes Miteinander und das (Familien-)Leben mindestens so wichtig ist wie ökonomischer Erfolg. Nichts verkörpert diese Lebensart so eindrücklich wie das Ritual des gemeinsamen Matetrinkens. Das Mategefäß herumzureichen und gemeinsam reihum daraus zu trinken ist ein wunderbares Sinnbild für ein friedliches Zusammenleben.
4. Wein in Uruguay: kleine Traube ganz groß
Bei gutem Wein aus Südamerika denkt man zunächst an Cabernet-Sauvignon aus Chile oder Malbec aus Argentinien. Dabei hat auch Uruguay für Weinliebhaber:innen einiges zu bieten. Die vorherrschende Rebsorte ist Tannat, ein sehr kräftiger und vollmundiger Rotwein. Viele Weingüter sind eher klein gehalten und deren Produkte kaum in Deutschland erhältlich. Schade eigentlich, denn immer wieder landen Weine aus Uruguay auf Spitzenplätzen bei internationalen Wettbewerben. Eine Entdeckungstour zu den Bodegas rund um Montevideo und im Departamento Maldonado lohnt sich also. Einige Weingüter bieten Führungen an oder haben ein eigenes Restaurant, in dem man lokale Tropfen probieren und als Souvenir mitnehmen kann.
Meine persönliche Auswahl (nicht weit von der Küste bei Punta del Este):
Alto de la Ballena (auf Spanisch)
Viña Edén (auf Englisch)
Bodega Garzón (auf Englisch)
5. Karneval: nirgendwo auf der Welt wird länger gefeiert

Leichtbekleidete Sambatänzerinnen wie in Río sind hier die Ausnahme, und auch Kamelle wird nicht geworfen. Dafür punktet der Karneval in Uruguay mit einem bunten Mix kultureller Traditionen aus Europa und Afrika und brüstet sich mit seiner Dauer von rund 40 Tagen als längster Karneval der Welt. Zum uruguayischen Karneval gehören Straßenumzüge, Nächte erfüllt vom afro-uruguayischen Trommel-Sound Candombe und die satirischen Murgas – Gruppen aus überwiegend Männern, die aufwendig geschminkt und kostümiert in humorvollen Darbietungen und Acapella-Gesängen die politischen Verhältnisse aufs Korn nehmen. Obwohl die größten Shows und Straßenumzüge in Montevideo stattfinden, wird man zwischen Ende Januar und Mitte März im ganzen Land Karnevalsveranstaltungen finden und sollte sich diese nicht entgehen lassen. Auch in kleinen Orten ist es ein besonderes Erlebnis, wenn die ganze Nachbarschaft abends zusammenkommt und sich mit dem eigenen Klappstuhl ausgestattet um eine kleine Bühne versammelt, den lokalen Karnevalsgruppen lauscht, im Scheinwerferlicht grillt und dabei Mate trinkt.